„Ich arbeite gern mit Holz. Das Element Holz ist mir vertraut, es gehört zu unserer Natur. Ich genieße es, einen Dachstuhl zu zimmern oder Freunden dabei zu helfen, ihr Haus aufzustellen. Wir haben selbst vor fünf Jahren ein altes Haus in Umhausen gekauft, vielleicht hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Das haben meine Frau und ich zu unserem neuen Zuhause gemacht. Inzwischen sind wir zu fünft. Gerade ist Ida, unser drittes Kind, zur Welt gekommen, nur zehn Monate, nachdem mein Bruder Hansjörg bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen ist.
Ich vermisse den Bruder. Oft wünsche ich mir, er würde einfach zur Tür hereinkommen und die kleine Ida heben. Aber ich habe meinen Frieden mit der Situation gemacht. Hansjörg hat gelebt, wie er wollte. So wie ich lebe, wie ich will – und ich kann mein Leben genießen.
Das Ötztal ist für mich Heimat. Ich bin hier aufgewachsen, hier fühle ich mich wohl. Das Tal, das sind für mich die Berge, die Dörfer, die Menschen. Wir sind ein tiefes Tal, deshalb zieht es uns vielleicht auch hinauf auf die Gipfel – um über den Horizont hinaus schauen zu können.
Schon als Kinder sind wir mit den Eltern auf den Berg gegangen. Dann war ich viel mit dem Bruder unterwegs, bis klar war, dass er der bessere Kletterer ist.
So habe ich gelernt, ehrlich zu mir selbst zu sein. Ich habe meinen Weg gefunden. Ich gehe im Winter mit Gästen Skifahren und im Sommer als Bergführer schöne Touren. Der Tourismus ermöglicht mir vieles, ich lerne interessante Menschen kennen. Wie viele andere frage ich mich natürlich, ob es im Tourismus nicht auch ein bisschen sanfter ginge. Aber ich erlebe selbst die Widersprüche, die hinter diesem Wunsch stecken. Viele Gäste suchen auf unseren Touren Einsamkeit und Ursprünglichkeit. Wenn wir dann auf einer wirklich abgelegenen Hütte ankommen, würden sie aber schon gern duschen.
Ich mag die Umgebung von Umhausen ganz besonders. Hier ist es ruhiger und kommoder als hinten im Tal. Im Winter bin ich auf die Hohe Wasserfalle gegangen, von dort sieht man genau auf die Orte meiner Kindheit hinunter. Auf den Almen haben wir als Kinder Schafe gehütet, jede Wiese ist voller Erinnerungen. Der Blick von dort oben ist Heimat für mich, ganz ohne Filter. Jetzt erzähle ich schon meinen eigenen Kindern die Geschichten von damals. Sie sollen einmal an mein eigenes Heimatgefühl anschließen können. Es ist schön, an einem Ort zu Hause zu sein. Und es ist nicht selbstverständlich. Wir müssen dieses Gefühl pflegen, sonst ist es dahin.“